Guten Morgen Tagebuch, heute ist der 8. Februar 2023.
Gestern war ein schwerer Tag für mich. Die Erlebnisse vom Tag davor haben mich in einen Strudel der seelischen Verarbeitung gezogen, der es wirklich in sich hatte.
Ich habe nun verstanden, warum ich diese monotonen Arbeiten im Atelier, die ich sonst so liebe – wie das Glasieren von 20 Tassen – nicht mehr ertragen konnte. Bei diesen stumpfen Aufgaben gerate ich oft in eine Art Meditation. Meine Gedanken verschwimmen dann frühzeitig, und ich verliere mich oft weit hinter ihnen. Bevor ich es merke, bin ich fertig mit meiner Arbeit und habe viele Gedanken beobachtend durchdacht. Dieser Prozess verläuft normalerweise schon so unterbewusst, da ich ihn oft praktiziert habe, dass er mir dabei hilft, wirklich zu entspannen.
Aber nun habe ich diesen Zustand bewusst vermieden. Ich wusste nicht warum, bis ich schließlich die 100 kleinen Pilze glasieren musste und es geschah. Wahnvorstellungen.
Das Trauma des Missbrauchs durch meinen früheren Psychotherapeuten, die rechtlichen Verfahren, die damit zusammenhängen, und die Notwendigkeit, diese Thematik bis zum Prozess zu verdrängen, brodelte förmlich in mir hoch. Es musste jetzt herauskommen. Aber bis zu diesem Zeitpunkt der monotonen Arbeit war mir das nicht bewusst.
Es war mir auch nicht klar, dass ich trotz meiner Stärke, die ich normalerweise in schweren Zeiten zeige, dieses Thema endlich abschließen muss, um nicht daran zu zerbrechen. Ich wurde mir plötzlich bewusst, dass, wenn ich weiterhin bis zum Prozess verdränge, meine paranoiden Wahnvorstellungen noch schlimmer und sich weiter ausbreiten würden.
Soweit, so gut. Das waren bereits wichtige Erkenntnisse gestern Morgen. Aber es kamen noch viel schwieriger zu ertragende Erkenntnisse hinzu.
Die Paranoia, die sich in mir entwickelte, wurde durch meine Beziehung zu meiner neuen Freundin Lena verstärkt. In meinen Wahnvorstellungen glaubte ich, sie arbeite für eine geheime Organisation…
Aber wenn ich also an eine geheime Organisation glaubte, wenn ich also Gefahr lief, meinen Verstand zu verlieren, wäre es dann nicht ratsam, genau diese Paranoia realistisch und logisch zu betrachten?
Genau das habe ich getan. Zum Glück half mir meine Freundin dabei. Sie ist wirklich ein Juwel! Ich bin dankbar, sie in meinem Leben zu haben, auch wenn meine Psyche sie gerade oft als Feind wahrnehmen möchte.
Während wir sprachen, bemerkte ich, dass mich Sätze wie „Falls es dich beruhigt, ich habe dir gegenüber viele berufliche Interna weitergegeben, du könntest mich damit beruflich vernichten“ oder Phrasen wie „Dinge gegen mich verwenden“ oder „Du entscheidest, wie wir mit unserer (Freundschafts-) Beziehung weiter umgehen sollten“ sehr beunruhigten.
Mein erster Impuls war, dass es genauso ist wie damals, als der Therapeut diese Sätze und Phrasen zu mir sagte. Sie arbeiten zusammen in dieser geheimen Organisation. Aber dann dachte ich: „Stopp, betrachte es aus einer anderen Perspektive. Lass dich nicht in den Strudel ziehen.“ Das laute Stopp in meinem Kopf hallte lange nach.
Dann fiel mir plötzlich auf, dass meine Freundin Lena zwar die gleichen Worte benutzte wie er, aber was, wenn er die Worte nur auswendig gelernt und absichtlich gegen mich verwendet hatte, um mein Vertrauen zu gewinnen? Das könnte sein. Sie müssten nicht vom gleichen (geheimen Arbeitgeber) geschult worden sein. Oder etwa doch? Nein, er muss sich narzisstisch verhalten haben. Das andere ergibt keinen Sinn!
Ich glaube, zu dieser (schnellen?) Erkenntnis hat mich der Artikel von Edition F aus dem Jahr 2018 inspiriert, den ich gestern gelesen habe. In dem Artikel geht es um mentale Hochleistungsfähigkeit und warum sensible Menschen oft Opfer von Narzissten werden. Danke an die Redaktion für diesen großartigen Artikel, er hat mir tatsächlich geholfen, das zu erkennen. Der Therapeut hatte narzisstisch Züge.
Plötzlich löste sich auch der Schleier der „geheimen Organisation“ etwas auf. Am Ende des Tages, als ich erneut mit meinem Mann darüber sprach, nannte ich es bereits ein geheimes Unternehmen. Das zeigte mir, dass mein Geist und meine Psyche langsam Abstand von der paranoiden Wahnvorstellung nahmen.
Dennoch gibt es viele Momente, in denen ich zunächst denke: „Sie sagt das nur, weil sie mich beobachten soll.“ Dann muss ich mich selbstkritisch hinterfragen, warum ich so denke, und einen plausibleren Gedanken finden. Zum Glück gelingt mir das noch häufig.
Eine andere Methode, diese Paranoia zu entlarven, besteht darin, Logikfehler zu finden. Mein Mann sagte gestern Abend treffend: „Es ergibt keinen Sinn, dass die Organisation eine Person in dein Leben einschleust, diese bezahlt und dann vielleicht die Informationen nur halb weitergibt, anstatt dich direkt über dein Handy zu überwachen.“ Damit hatte er völlig recht. Das ergab keinen Sinn, und die Befürchtung über mein Handy oder andere Geräte ausgeforscht zu werden, hatte ich nicht.
Es war ein intensiver Dienstag, begleitet von vielen Tränen, Tränen des Annehmens und Akzeptierens meiner Probleme und Schwierigkeiten, Tränen der Entmutigung und Ernüchterung, aber auch Tränen der Reinigung und Verarbeitung.
Was der Anwalt auf meine gestrige E-Mail geantwortet hat, werde ich im nächsten Eintrag schreiben. Das sollte vorerst reichen. Jetzt gehe ich Pakete verschicken, Kartons zerkleinern und anschließend töpfern. Schließlich darf ich bald auf dem Blumen- und Gartenmarkt in der Landeshauptstadt ausstellen. Darauf freue ich mich sehr.
Deine Molly.
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