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Erste medizinische Begutachtung des MDK zum Pflegegrad

Liebes Tagesbuch,

der folgende Text ist der Originaltext den ich über mehrere Tage nach der Pflegebegutachtung meinem Handy diktiert habe.

Aus Dokumentationsgründen ist es mir wichtig, ihn nicht zu verändern. Entschuldige bitte die Rechtschreib- und Grammatikfehler. Allerdings habe ich die Links zu den gannten Seiten heute noch hinzugefügt.

Deine Molly

Gesprächsprotokoll vom Begutachtungstermin

Wie die Begutachtung für mich als Betroffene gewesen ist.

Diesen Text diktiere ich. Ich bin froh, dass es solche technischen Möglichkeiten gibt. Denn zum tippen bin ich zu schwach. (Bearbeitung des Textes: Begonnen 22.8. 9:18 Uhr – Beendet: 07.09.2024 um 8:50 Uhr)

Ich liege nahezu ununterbrochen in abgedunkelten Wohnzimmer oder Schlafzimmer. Zusätzlich trage ich zweierlei Gehörschutz und Lichtschutz (Sonnenbrille oder Schlafmaske). Ich kann weder allein zur Toilette gehen, noch mich anziehen, waschen oder Essen zu bereiten.

Ich bin 24 Stunden am Tag auf Hilfe angewiesen, da ich nie weiß, wann ein Grundbedürfnis eintritt welches ich allein nicht stillen kann.

Ich leide an ME CFS. Das ist eine Erkrankung die fast niemand kennt. Selbst unter Ärzten und anderen Medizinern ist sie größtenteils unbekannt. Und trotzdem maßen sich Fachpersonen an – OHNE WISSEN über diese Erkrankung – ein fachliches Urteil abzugeben. Das ist nicht nur frustrierend und enttäuschend, sondern auch für einige Betroffene lebensgefährlich.

ME CFS ist eine schwere neuroimmunologische Multisystemerkrankung. Mehr dazu im Fachartikel des Ärzteblatts vom Mai 2023 oder auf den Webseiten vom Fatigatio eV oder deutschen Gesellschaft für ME CFS unter  www.MECFS.de

Nach jahrelangen Bitten von meinem Ehemann, der mich seither sehr gut pflegt und dem ich endlich mal für sein unermüdliches Zutun etwas zurück geben möchte, habe ich der Pflegebegutachtung zugestimmt. Obwohl ich mir bewusst war, dass könnte meinen Zustand stark verschlechtern.

Um eine PEM – das ist eine zeitverzögerte Zustandsverschlechterung nach Überlastung, wobei die Überlastung bereits Gespräche, Konzentration, eine Dusche oder manchmal schon Licht sein kann – zu vermeiden, haben wir uns – der Krankheit entsprechend – auf diesen Termin vorbereitet.

Wir haben über den Verein der zugleich Selbsthilfegruppe ist Fatigatio eV die Broschüre Pflegeantrag durchgelesen. Ich persönlich konnte gar nicht alles lesen. Ich habe versucht die wichtigsten Inhalte zu erfassen, wofür ich schon trotz täglichen Anläufe mehr als zwei Wochen gebraucht habe. Dann haben wir am xx.xx.xxxx den Pflegegrad beantragt.

Wie vom Ratgeber und von der AOK selbst empfohlen, haben wir Tagebuch geführt und uns die Fragen gestellt, die die Gutachterin fragen würde. Denn wir wussten, wir könnten ihr nicht in den 60 bis 90 Minuten alle Antworten korrekt und ausführlich geben. Mein Zustand erlaubt so ein intensives und inhaltlich kompliziertes Gespräch überhaupt nicht mehr. Mit mir tauscht man sich am besten über längere Zeit schriftlich aus. So habe ich genügend Zeit um über einen Sachverhalt nachdenken zu können und genügend Zeit meine Antwort ehrlich und authentisch zu geben. Auf die Schnelle kann ich das leider nicht mehr. Ich bin 39 Jahre alt und kann nicht innerhalb einer Stunde erklären wozu ich fähig bin und wozu nicht. Und dennoch hat die Gutachterin sich nicht unsere vorbereitete Mappe angesehen, warum?

Mein Mann und ich haben also zwei Wochenlang unseren Alltag beobachtet und haben an drei guten und sieben schlechten Tagen die Fragen zur Pflege beantwortet. Das hat mich oft sehr viel Kraft gekostet. Davon abgesehen ist es nicht leicht, sich als junge Frau einzugestehen, dass man so schwer behindert ist.

Als die Frau vom MDK bei uns war, lag ich mit doppeltem Gehörschutz und Schlafmaske im abgedunkelten Wohnzimmer. Das Sofa ist mein zweites Bett und die Stube mein zweites Schlafzimmer. Entweder liege ich dort im „Ersatzbett“ oder im Schlafzimmer im Bett. Aber ich liege nahezu immer. Mein tippte mich an und sagte sie sei da. Ich war völlig außerstande mich aufzusetzen oder meinen Gehörschutz abzunehmen. Ich ließ die Schlafmaske auf. Ich vertraute darauf, dass alle Informationen die die Frau brauchte von meinem Mann und den vorbereiteten Unterlagen in der Mappe erhielt. Denn ich hatte weder die Konzentration noch die Kraft mich an einem Gespräch zu dritt zu beteiligen.

Irgendwann fragte sie mich nach meinem Alter und machte Tests wie Hände drücken und ob ich gehen könne. Ich bat mein Mann um Hilfe, weil mir sehr oft, wenn ich aufstehe, so schwindlig wird und mein Körper so zusammensackt, dass ich mich nicht ohne Hilfe halten kann. Aber die Frau verweigerte meinem Mann sein zutun. Ich kam nicht einmal richtig vom Sofa hoch und hangelte mich mit einem Schritt einen Sitzplatz weiter auf dem Sofa. Aber zu dem Stuhl, der drei Schritte entfernt war, kam ich nicht.

Sie stellte mir viele Fragen. Ich kam überhaupt nicht mit in der Geschwindigkeit und brauchte auch lange um die Fragen zu verstehen. Oft antwortete mein Mann. Zum Glück. Ich kann mich noch an die eine Frage zur Konzentration erinnern. „Wie ist es mit dem Gedächtnis“. Was ich genau ich geantwortet habe weiß ich nicht mehr. So geht’s mir mit sehr vielen dingen. Oftmals weiß ich weder welcher Wochentag ist und manchmal merke ich auch nicht ob Mittag oder Abend. Durch meine Abgedunklten und ruhigen monotonen allein sein. Ich bringe auch dinge durcheinander. So vergesse ich zum Beispiel, dass Oma gestern gesagt hat, dass sie heute Marie von der Schule abholt. Meine Konzentration ist quasi null. Ich kann auch nichts mehr lesen, weil ich die Wörter falsch lese oder nicht verstehe. Ich behalte auch keinen Inhalt. Es strengt mich auch extrem an. Dann bekomme ich unerträgliche Kopfschmerzen und werde komatös müde.

Meistens kann ich nicht mehr alleine in andere Räume aber als ich es noch konnte, habe ich auch vergessen den Herd abzustellen.

Ich würde aber gern mich auch mal wieder alleine bewegen können. Aber der Rollstuhl der mir gegeben wurde ist für mich gar nicht geeignet. Ich bin viel zu schwach um die Räder zu drehen. Der Rollstuhl ist für die Wohnung viel zu groß. Wir haben einen elektrischen beantragt, dass ich an guten Tagen vielleicht auch mal in der Küche am Tisch sitzen kann. Aber den elektrischen Rollstuhl haben wir immer noch nicht bekommen. Warum wird einem das Bitten um Hilfe für so kranke Menschen wie mir so erschwert?

Dann erinnere ich mich noch, dass die Frau von der Pflege gefragt hat ob ich Haare waschen kann. Das kann ich leider nicht mehr.

Ob ich depressiv sei und was ich in meiner Freizeit mache. Ich frage mich welche Freizeit. Ich toleriere kaum Licht und Geräusche. Und wenn doch, dann gibt es immer irgendwas zu Bearbeiten. Wie diesen Text zum Beispiel. Aber manchmal male ich oder höre ein Hörbuch.

Ich bin zum Glück nicht depressiv. Aber ich habe massive kognitive Einschränkungen. Ich bin aber nicht dumm. Ich habe sogar mal studiert. Es wurden bei mir stark erhöhte Autoantikörper gegen Neurotransmitter festgestellt und mir gesagt, dass es daran liegt.

Die Begutachtung war für mich sehr anstrengend. Ich habe der Frau vom MDK geglaubt, als sie mir rüberbrachte, sie würde mich verstehen. Ich habe ihr geglaubt, dass sie meine Situation richtig einschätzen würde. Das hat sie offenbar nicht. Ich nehme ihr das nicht übel. So wenige Menschen wissen wirklich wie schwer diese Erkrankung ist. Aber als Gutachterin war sie auf ME/CFS weder vorbereitet noch verstand sie meine Problematik. Diesen Text zu diktiert war sehr viel Arbeit über mehrere Wochen!